Biokunststoffe sind eine junge innovative Branche, die sich derzeit rasant entwickelt. Das wachsende ökologische Bewusstsein in der Bevölkerung sowie das Wissen um die Endlichkeit der fossilen Rohstoffe sind nur zwei der Faktoren, die ganz wesentlich zum Wachstum der Biokunststoffe beitragen. Immer mehr Unternehmen suchen nach innovativen Wegen, um der stetig steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Produkten nachzukommen, und entscheiden sich dazu, auf biobasierte recyclingfähige oder kompostierbare Kunststoffverpackungen umzusteigen. Dennoch halten sich einige Irrtümer und veraltete Daten zu Biokunststoffen hartnäckig. Diese entsprechen schon lange nicht mehr dem Stand der Technik und erweisen damit einer Branche mit großem Potential für eine nachhaltigere Zukunft einen Bärendienst. Im Folgenden sollen einige dieser Irrtümer richtiggestellt werden.
Biobasiert ist nicht gleich biologisch abbaubar
Biokunststoffe sind eine große Familie an Materialien, die sich in Art, Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten weit unterscheiden können: Biokunststoffe sind entweder biobasiert, kompostierbar oder beides, also biobasiert und biologisch abbaubar. Dabei haben Biokunststoffe die gleichen Materialeigenschaften (zum Beispiel Reißfestigkeit, Beständigkeit, Atmungsaktivität oder Elastizität) wie herkömmliche Kunststoffe und bieten zudem zusätzliche Eigenschaften wie Biobasiertheit oder auch Kompostierbarkeit (wenn diese sinnvoll für ein Produkt sind).
Klare Vorteile in der Ökobilanz
Biokunststoffe weisen in der Ökobilanz klare Vorteile auf, vor allem durch die großen Einsparungen von CO2 bei Herstellung, Gebrauch und Entsorgung, sowie durch den Einsatz von erneuerbaren Rohstoffen anstatt von Öl.
Der entscheidende Vorteil der Biokunststoffe gegenüber herkömmlichen Kunststoffen liegt in ihrem Potenzial, unsere Abhängigkeit von endlichen fossilen Rohstoffen zu reduzieren. Denn bei dem Umstieg von herkömmlichen Kunststoffen auf Biokunststoffe werden fossile Rohstoffe durch erneuerbare Rohstoffe ersetzt. Biobasierte Kunststoffe tragen darüber hinaus zur Reduzierung von Treibhausgasen bei, da sie als vorübergehender Kohlenstoffspeicher fungieren. CO2 wird während des Pflanzenwachstums aus der Atmosphäre aufgenommen und bleibt über den gesamten Nutzungszeitraum der Biomasse während der Herstellung und Verwendung von Biokunststoffen im Material gebunden. Diese Speicherfähigkeit kann entsprechend verlängert werden, wenn das Material recycelt oder wiederverwendet wird. Das schont nicht nur das Klima sondern auch die Ressourcen.
Zudem tragen Biokunststoffe durch einen geschlossenen Rohstoffkreislauf zur Ressourceneffizienz bei. Die mit erneuerbaren Rohstoffen hergestellten biobasierten Kunststoffe können mehrfach mechanisch recycelt und am Ende ihres Produktlebens zu erneuerbarer Energie umgewandelt werden. Im Falle von biologisch abbaubaren Kunststoffen entsteht durch organisches Recycling (Kompostierung) wertvolle Biomasse oder Humus, die wiederum das Wachstum neuer Pflanzen fördern.
Der Großteil der Biokunststoffe wird heute aus kohlenstoffreichen Pflanzen wie Mais oder Zuckerrohr hergestellt, sogenannte Rohstoffe der ersten Generation. Diese sind derzeit am effizientesten, bringen die besten Erträge und benötigen die geringste Anbaufläche. Für den nachweislich nachhaltigen Anbau gibt es bereits entsprechende Zertifikate. Eine Konkurrenz zum Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln besteht nicht, da gerade einmal 0.01 Prozent der weltweiten Landwirtschaftsfläche für den Anbau von Rohstoffen für Biokunststoffe verwendet wird. In zunehmendem Maße konzentriert sich die Entwicklung von Biokunststoffen auch auf Rohstoffe der zweiten und dritten Generation. Das sind vor allem nicht essbare Pflanzen, Abfallprodukte von Nahrungs- und Futterpflanzen, Algen oder sogar CO2 und Methan.
Mehrweglösungen sind zu bevorzugen aber nicht immer möglich
Biobasierte und kompostierbare Kunststoffe und Verpackungslösungen eignen sich hervorragend für wiederverwendbare Mehrfachanwendungen und tragen damit zu mehr Ressourceneffizienz bei. Der Großteil der Biokunststoffe sind haltbare, biobasierte Materialien für langlebige Anwendungen, nicht nur im Verpackungs- sondern auch im Textil-, Automobil-, Elektronik- und Baubereich. Diese Biokunststoffe können in den vorhandenen Recyclingströmen für herkömmliche Kunststoffe recycelt werden.
Wo möglich, sind Mehrweglösungen zu bevorzugen, um wertvolle Ressourcen zu schonen. Doch gerade bei Verpackungen, die mit Lebensmitteln oder organischen Stoffen in Berührung kommen, z.B. Kaffeekapseln, Fast-Food- und On-the-Go- Verpackungen, Bioabfallbeutel, u.v.m. ist die Verwendung von kompostierbaren Kunststoffen sinnvoll und bringt Vorteile. Die Verunreinigung der Verpackungen mit organischen Stoffen macht sie für mechanisches Recycling unbrauchbar. Diese Verpackungen werden bisher verbrannt oder landen im schlimmsten Fall auf Mülldeponien – eine der größten Ursachen für die Verschmutzung der Weltmeere. Kompostierbare Verpackungen können zusammen mit Lebensmittelresten über die Biotonne entsorgt werden, so dass diese anschließend in industriellen Kompostieranlagen oder Biogasanlagen zu wertvollem Humus oder Biogas verwandelt werden.
Biologisch abbaubare Kunststoffe gehören in die industrielle Kompostierung
Dass dies gut funktioniert, zeigen Großversuche in Mailand, München und Paris, wo durch den Einsatz kompostierbarer Bioabfallbeutel die Mengen des getrennt gesammelten Bioabfalls erheblich gesteigert werden konnten. Nach dem europäischen Standard EN 13432 zertifizierte kompostierbare Biokunststoffe zersetzen sich in der industriellen Kompostieranlage vollständig zu Wasser, CO2 und Biomasse und hinterlassen keine gefährlichen Kleinstbestandteile im Kompost zurück, wie bisweilen irrtümlich behauptet. Umfangreiche Ökotoxizitätstests sind Teil der Zertifizierung und stellen sicher, dass der Kompost sauber und sicher als Humus weiterverwendet werden kann.
Biologisch abbaubare Kunststoffe tragen dazu bei, die Kontaminierung von Recyclingströmen zu reduzieren, da der Bioabfall getrennt von anderen Recyclingströmen gesammelt wird. Falls biologisch abbaubare Kunststoffprodukte dennoch in werkstoffliche Recyclingströme gelangen, können sie mit bestehenden Technologien wie Nahinfrarot ganz einfach aussortiert werden. Die Universität Wageningen hat biologisch abbaubaren Kunststoff in werkstofflichen Recyclingströmen analysiert und Werte von maximal 0,3 % festgestellt. Zudem ergaben die Untersuchungen, dass keine negativen Auswirkungen auf die Merkmale von recycelten Folienprodukten mit biologisch abbaubaren Folien-Rezyklaten nachweisbar waren. Allerdings ist in Bioabfallströmen eine hohe Kontaminierung durch nicht-biologisch abbaubare Kunststoffe festzustellen, die für Kompostieranlagen ein echtes Problem darstellt und sich negativ auf die Qualität des Komposts auswirkt. Um diesem Problem Herr zu werden, braucht es eine konsequente Durchsetzung der Getrenntsammlung von Bioabfällen.
Kompostierbare Kunststoffe sind für die Entsorgung und Verwertung in industriellen Kompostieranlagen (und bei entsprechender Zertifizierung ggf. für die Heimkompostierung) entwickelt und bestimmt. Forderungen nach einer generellen Abbaubarkeit in der Natur oder dem Meer sind nicht nur irreführend sondern schüren falsche Erwartungen (z.B. achtloses Wegwerfen in die Natur), die mit hohen Kosten für die Umwelt einhergehen. Mehr Informationen zur biologischen Abbaubarkeit von Kunststoffen in der Meeresumwelt finden Sie in unserem Positionspapier zu Meeresverschmutzung.
Dialog mit Verbrauchern, Wirtschaft und Politik
Mit ihren klaren Vorteilen bei Klimaschutz und Ressourcenschonung sowie noch nutzbaren Potenzialen, sind Biokunststoffe ein wesentlicher Baustein der Bioökonomie. Dies erklärt nicht nur die Europäische Kommission, sondern auch deutsche Institutionen wie das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz, das Umweltbundesamt sowie die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe. Ein verstärkter Dialog zwischen allen Beteiligten sowie eine bessere und vor allem faktenbasierte Information in der Öffentlichkeit ist unabdingbar für den notwendigen Wandel von der linearen Wirtschaft hin zu einem ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaftsmodell in dem Biokunststoffe eine essentielle Rolle spielen. Hierbei muss vor allem die Öffentlichkeitsarbeit im Bereich der Abfallvermeidung und der korrekten Trennung der verschiedenen Wertstoffe wieder stärker ausgebaut werden. Irreführende Behauptungen und unsachliche Darstellungen lenken davon ab, worauf wir uns als Gesellschaft wirklich konzentrieren sollten: nämlich die Abkehr von der Wegwerfgesellschaft und den besseren Umgang mit der wertvollen Ressource Abfall.
Download: Informationspapier: Mythen und Fakten zu Biokunststoffen aufgeklärt (EUBP, 2017)